Süddeutsche Zeitung, 6./7. September 1997:
Jugendliche liefern Ideen:
"Es ist mir eine Ehre, heute hier zu sein. Ob Sie's glauben oder
nicht: Dies ist keine alltägliche Aufgabe, in so einem Kreis über
so ein Projekt zu reden." - Mittwoch, 4. Juni 1997: Herr Gabor Gérnyi,
Ministerialdirektor im ungarischen Ministerium für Industrie, Handel
und Tourismus, gibt uns gerade im Gyönker Gymnasium ein Interview.
Die Ehre beruht also auf Gegenseitigkeit: Obwohl wir um ein Interview im
Budapester Ministerium gebeten hatten, sagte Herr Gérnyi uns spontan
zu, nach Gyönk im Süden Ungarns zu kommen. Außerdem ist
sein Stellvertreter, Herr Jenö Kiss dabei. Selbstverständlich
sprechen wir Deutsch.
![]() Aber vor allem soll die EXPO 2000 ein Welttreffen der Jugend sein, denn
es sind die Jugendlichen, die neue Denkweisen von den alten trennen und
in die Zukunft führende neue Wege entdecken. In Ungarn hat man sich
überlegt: In dem Projekt "Alma Mater Hungarica" sollen die Ideen unserer
Jugend gesammelt und dann in Hannover gezeigt werden.
Péter Fonyódi/Hajni Tóth
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"Mensch - Natur - Technik" - das bezeichnet eine der Aufgaben
der zukünftigen Menschenheit. Der Mensch nutzt die Technik und die
Natur, also ist er verantwortlich für beide. Die Technik muß
so weiterentwickelt werden, daß sie den menschlichen Ansprüchen
entspricht und der Natur immer weniger oder gar nicht schadet. Dieses Ziel
müssen sich alle Länder, alle Menschen vor Augen halten. In dieser
Hinsicht war Ungarns Ansehen in den letzten Jahrzehnten nicht das beste.
Nach der "politischen Wende" 1989 veränderte sich die Lage in Ungarn,
strömten alle Produkte, technische Neuerungen des Westens bei uns
ein. Das heißt, die Ungarn wurden wortwörtlich und endgültig
vom Pferd abgestiegen.
Péter Puskás/Ferenc Lukács
Das Jahr 2000 - eine Wendemarke für die Der ungarische Staat hat seine Jugend aufgefordert, im Rahmen
der Vorbereitung und Durchführung des nationalen EXPO-Programms ihre
Kreativität zu beweisen. Unser Ziel ist jedoch, nicht nur Kreativität
zu zeigen, sondern auch die Wahrheit. Jedes Land hat Schandflecke in seiner
Geschichte, und zu diesen zu stehen, gibt einem Halt. Dies zu präsentieren,
beweist Mut, und den wollen wir auch zeigen.
Endre Horváth/Roland Tóth;
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Ein weiterer Beitrag der ZiS-Gruppe aus Gyönk, der jedoch nicht
in der SZ abgedruckt wurde:
Ungarn hat die Chance verpaßt, 1996 eine Weltausstellung im eigenen Land zu organisieren. Dafür bietet sich unserem Land mit den anderen eingeladenen Ländern nun die Gelegenheit, sich im Jahre 2000 in Hannover zu präsentieren. Endlich kann in den Köpfen im Westen und in der Welt etwas bewegt werden, was noch nie bewegt werden konnte, nämlich die Aufmerksamkeit der Menschen auf die Leistungen des ungarischen Volkes im Laufe der Geschichte Europas zu lenken. Man könnte meinen, daß wir in Ungarn lange Zeit gegen eine These Herders ankämpften, nämlich die, daß es das Schicksal der Ungarn gewesen sei, Europa vor den Türken zu schützen, und daß Ungarn, nachdem es diese Aufgabe erfüllt hätte, aus der Geschichte verschwinden könnte. Dabei jagen wir bloß immer noch verzweifelt nach unserer eigenen, besseren Zukunft. Die Jagd setzt sich heute, nach einem "kleinen Umweg" Richtung Osten, wieder in Richtung Westen fort. Die Frage ist nur, ob das Ungarntum heute bereit und reif genug ist, Selbstmitleid beiseite zu legen und der Zukunft ins Auge zu sehen. Denn es gab immer kreative und konstruktive Menschen in Ungarn, aber was zählte, war immer der Rest, die große, in den Alltagstrott abtauchende Mehrheit -, und die Politik. Eins sollten wir dabei bedenken: Können wir uns nicht sicher sein, daß die Schicksalsfragen der einzelnen Nationen eher zweitrangig erscheinen, wenn bei der Weltausstellung im Jahr 2000 die Schicksalsfragen der Menschheit und unserer Zeit in den Mittelpunkt gestellt werden sollen? Es ist keinesfalls sicher, daß die darauf abzielenden, bisher geplanten Präsentationen die erwünschten Gefühle wecken werden. Ich finde also, daß übernationale und globale Themenbereiche viel mehr angesprochen werden müßten. Denn die Familie der europäischen Völker wird sich nur dann richtig erweitern, wenn die "Neulinge" ihre Denkweise auch erweitern und nicht immer hinter den Grenzen ihrer nationalen Geschichte und Gedanken stehen bleiben. Und könnte sich Ungarn dann nicht so, nämlich als Vorbild präsentieren? Hier wurde zuerst der "Eiserne Vorhang" durchschnitten; die hier betriebene Minderheitenpolitik gilt heute als vorbildlich; Ungarn ist seit Jahrhunderten und jetzt wieder bekannt für seine Kreativität und Toleranz auf diesen Gebieten. Ich stelle mir vor: Ein japanischer EXPO-Besucher kommt in den ungarischen Pavillion und wird von einem Husarenreiter mit Informationen zur ungarischen Geschichte begrüßt. Welches Bild wird sich der Japaner dann wohl von Ungarn machen? Péter Fonyódi
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