ZEITUNG IN DER SCHULE | Samstag, 27. Januar 2001 |
![]() | |
Bayern Seite 64 / Deutschland Seite 64 / München Seite 64 |
Hier dreht sich alles um die Handball-Kugel
Zu Besuch bei Dunaferr einem europäischen Spitzenclub aus Ungarn / Spielerinnen im Interview
Bereits mit zehn Jahren fing sie an, nicht nur Leichtathletik zu treiben, sondern auch Handball zu spielen. Sie arbeitete systematisch und konsequent. Bald stellten sich auch internationale Erfolge ein. 1995 der Höhepunkt: Neben dem Franzosen Jackson Richardson wird sie zur besten Handballerin der Welt gewählt. Erzsébet Kocsis, für viele nicht nur ein sportliches, sondern auch ein menschliches Vorbild.
Nach der Beendigung ihr aktiven Karriere ist sie heute technische Leiterin ihres Vereins Dunaferr, des größten Sportclubs in Ungarn. Wir besuchen sie dort in Dunaújváros, südlich von Budapest. Profis vieler Sportarten haben hier ideale Trainingsmöglichkeiten. So kommt auch der Olympiasieger im Turnen an den Ringen, Szilveszter Csollánny von hier. Und selbstverständlich die erfolgreichste Handballmannschaft des Landes.
Und genau in diesem Verein begann Erzsébet Kocsis mit 23 Jahren ihre große Karriere; feierte hier auch nach hartem Training die größten Erfolge. So wurde sie unter anderem bei einer Europa-Meisterschaft in Deutschland zur besten Spielerin des Turniers gekürt. Besonders daran denkt sie häufig und gerne zurück. Und nach all ihren großen Erfolgen hat sie sich nach der Olympiade von Atlanta 1996 und dem Finale der Champions-League entschlossen, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere vom aktiven Sport Abschied zu nehmen. Dies fiel ihr ziemlich schwer, denn es bedeutete auch, einen wichtigen Teil ihres Lebens zu verlieren. Jedoch kein Abschied vom Handball. Als technische Leiterin hält sie ständigen Kontakt zu den Spielerinnen, mit denen sie einst um Medaillen kämpfte. Außerdem setzt sie sich stark für die Jugendförderung ein. Erzsébet Kocsis weiß, wie früh man mit dem Sport beginnen muss, um Spitzenleistungen zu bringen.
Dies gilt auch für Judit Simics und Beatrix Balogh. Die Profis von Dunaferr haben täglich harte Trainingseinheiten zu absolvieren; außerdem jede Woche ein bis zwei Trainingsspiele. Vor der Saison müssen sie zur Stärkung ihrer Kondition Gewichte stemmen und auch schwimmen. Dies bildet die Grundlage für erfolgreiche Wettkämpfe.
Für Simics und Balogh hat sich die Schinderei gelohnt. Beide spielten in der ungarischen Nationalmannschaft, die bei der Olympiade in Sydney die Silbermedaille gewann: Hier wurde ein Traum wahr. Natürlich war das Ziel die Goldmedaille, aber das Endspiel war für sie das schwerste und spannendste Spiel der Olympiade. Leider ging es für Ungarn verloren. Doch für solche Wettkämpfe lohnt es sich, hart zu arbeiten, meint Judit Simics. Zur Zeit arbeiten die Profis hart an den Vorbereitungen zur Europa-Meisterschaft in Rumänien, die im Dezember 2000 stattfinden wird. Doch die Olympiade bedeutete viel mehr, als die Europa-Meisterschaft, weil man hier gegen afrikanische und asiatische Mannschaften antreten konnte.
Nun will aber Judit Simics ihre Karriere bald wegen ihrer Familie aufgeben, doch für Beatrix Balogh ist es noch längst nicht vorbei mit dem Handball, denn sie hat sich vorgenommen, auch bei der nächsten Olympiade mitzumachen. Profi-Sport in Ungarn ist also attraktiv und erfolgreich. Verglichen mit der Einwohnerzahl gewinnt Ungarn die meisten Medaillen bei olympischen Spielen. Und außerdem verdient man auch in unserem Land nicht schlecht dabei.
Kein Wunder, dass wir nicht nur als Journalisten aufmerksam zuhören. Schließlich gehören die Handballer unseres Gymnasiums seit Jahren wieder zu den besten acht Ungarns. Ihr Leser in Kiel, Magdeburg, Gummersbach oder Lemgo: Achtet mal darauf!
Und das Beste zum Schluss: Bei der Handball-Europameisterschaft verlor Deutschland gegen Ungarn am 9. Dezember mit 22:33. Leistungsträgerin bei Ungarn: Judit Simics, Dunaferr.
Réka Fekete/Bea Kemler
Leila Kurucz/Martin Tóth
Gymnasium Gyönk/Ungarn
Die Jugendförderung liegt ihr am Herzen: Erzsébet Kocsis (Mitte), Welthandballerin des Jahres 1995, mit ZISlern aus Gyönk.
Foto: Gerald Hühner, Gyönk
ZEITUNG IN DER SCHULE | Samstag, 14. April 2001 |
![]() |
|
Bayern Seite 48 / Deutschland Seite 48 / München Seite 48 |
Am rechten Ohr das linke Bein, am linken Ohr ein Handy:
Der unermüdliche Herr der Ringe
Szilveszter Csollány, ungarischer Olympiasieger in Sydney, trainiert auch während des ZiS-Interviews munter weiter
Eine riesige Halle, darin nur Spiegelwände und Sportgeräte, die Temperatur liegt bei 25 Grad Celsius. Und dann, fast kaum zu finden, ein einsamer, kleiner Mann, in dickem Anzug und mit schwarzen Handschuhen – beim Stretching. Man denkt, dass Sportler – besonders Olympiasieger – körperlich groß und stark sein müssen. Aber der, der hier gerade trainiert, ist wirklich nicht größer als wir. Er ist zwar ein kleiner Mann, aber aus der Nähe betrachtet delta-förmig gebaut, ein Modellathlet mit starken Muskeln und großen Taten. Es ist der König der Ringe: Szilveszter Csollány, Olympia-Sieger von Sydney im Ringe-Turnen.
Wer erfolgreich sein will, der muss früh aufstehen. Das gilt für Olympia-Sieger. Und auch für die Reporter von „Zeitung in der Schule“. Also sind wir bereits um 5 Uhr früh auf den Beinen, um ein Interview mit diesem berühmten Sportler zu machen. Denn Szilveszter Csollány hat keinen „Leerlauf“. Er antwortet auf unsere Fragen, ohne sein Training zu unterbrechen. Zwischendurch macht er Termine: Das linke Bein hinter dem rechten Ohr, am linken Ohr ein Handy. Und nach unserem Gespräch wartet auf ihn bereits das nächste Interview: mit dem Fernsehen.
Bei so viel Erfolg in Sport und Medien könnte man meinen, einen arroganten, egoistischen Star zu treffen. Aber Csollány redet nicht zu uns vom Olymp herab: Er bleibt „auf der Matte“. Und obwohl er der Beste in der Welt an den Ringen ist, fragt er immer wieder seinen Trainer um Rat, wie die letzte Übung war. Er trainiert und trainiert, macht jede misslungene Übungen noch einmal.
Aber das ist auch klar, weil die Ringe sein Leben sind. Und das schon seit langer Zeit: Seine Karriere beginnt im Jahre 1975, er ist gerade mal sechs Jahre alt. Seit 1987 ist er Profi, lebt also vom Sport. Seitdem errang er kleinere und größere Siege, der große Durchbruch kam für ihn dann im Jahr 2000 mit der begehrten Goldmedaille in Sydney. Trotzdem findet er aber, dass nicht der Olympiasieg, sondern seine Ausdauer sein größter Erfolg sei.
Ein sehr selbstbewusster Typ also, der auch kein bestimmtes Vorbild hat. Vorbild sind für ihn all die Leute, die für ihre Ziele alles tun. Und er wusste genau, dass er für den Olympiasieg alles getan und deshalb die besten Chancen hatte. Als er Kind war, träumte er nie davon, einmal Olympiasieger zu werden. Aber er trainierte zweimal pro Tag, sogar noch in Sydney. So hatte er auch keine Zeit, die Olympiastadt zu besichtigen. Und er „war dort faul“ – wie er meint: „Ich hatte keine Lust, andere Sportarten anzuschauen.“ Selbstverständlich fühlte er sich nach seinem Sieg „einfach toll“. Und feierte seine Goldmedaille mit einer typischen Csollány-Party: In seinem Zimmer, mit ein paar Bekannten. Und Mineralwasser. Natürlich ganz ohne Kohlensäure!
Szilveszter Csollány schaut immer nach vorn und nicht zurück. Deshalb ist er auch müde, immer noch über Olympia befragt zu werden. Und so schleppt er seine Goldmedaille für uns in einer Plastiktüte heran und erlaubt, uns damit fotografieren zu lassen: „Da, bitte schön!“, sagt er lapidar.
Meist reden erfolgreiche Menschen gern und viel über ihre früheren Erfolge, sind mit sich ganz zufrieden. Csollány aber konzentriert sich immer auf die Zukunft, kämpft immer für ein aktuelles Ziel. Und wenn das erreicht ist, setzt er sich ein neues. Jetzt gerade bereitet er sich auf viele Wettbewerbe vor: Den Welt-Cup in Paris, die nächste Olympiade in Athen. Vor allem aber will er endlich einmal Weltmeister werden; das war er noch nie. Und bei jedem Wettbewerb stellt er eine neue Übungsserie vor. „Das muss sein: Mit meiner Kür von Sydney könnte ich heute schon nicht mehr gewinnen.“
Und sein Alltag? Jeden Tag zweimal Training, jeweils etwa zwei Stunden. Nebenher Termine und sein Studium. Da bleibt kaum Zeit für seine kleine Familie. Und trotzdem denkt er nicht, dass ihm der Profi-Sport Nachteile brachte, dass er auf etwas für ihn Wichtigeres verzichten musste. „Ich bekam vom Sport mehr als ich geben musste.“
Als König der Ringe wird man eben nicht geboren. Und bleibt nur mit harter Arbeit auf dem Thron. Aber es ist fantastisch, diesem Monarchen persönlich zu begegnen!
Réka Fekete/Leila Kurucz
Eva Vereckei
Noemi Veres
Gymnasium Gyönk
Ungarn
Bildunterschrift:
Nur Interview? Nein, zugleich macht Csollány auch Termine per Handy.
Er macht sich warm mit Stretching-Übungen, er zieht sich aus, er bandagiert seine Unterarme und hört nicht auf zu Reden: Szilveszter Csollány, der rastlose Olympia-Sieger an den Ringen.
Fotos/2: Gerald Hühner